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KI & Architektur

Visualisierung im Wandel:

Die Architekturvisualisierung hat in den letzten Jahren einen enormen Wandel erfahren. Klassische CAD- und Renderingprogramme wurden lange als Standardwerkzeug genutzt, inzwischen drängen jedoch KI-gestützte Tools auf den Markt. Sie versprechen spektakuläre Ergebnisse in kürzester Zeit: fotorealistische Bilder, Personaleinsparung und schnellere Prozesse. Doch die Realität sieht oft anders aus – gerade aus Sicht von Architekt:innen, die mit diesen Tools im Entwurfsalltag arbeiten.

Zwischen Faszination und Ernüchterung

Ja, KI kann in Sekunden aus einem groben Modell atmosphärische Szenen erzeugen: realistische Materialien, stimmungsvolle Lichtverhältnisse, Gärten oder Straßenszenen. Das wirkt beeindruckend, vor allem in der frühen Kommunikation mit Bauherren.

Doch die andere Seite der Medaille:

  • Ergebnisse sind stark vom Zufall geprägt und nur eingeschränkt steuerbar.
  • Architektonische Intentionen werden verwässert oder falsch interpretiert.
  • Kleine Details oder konzeptionelle Feinheiten gehen verloren.

Das Resultat: Bilder, die zwar schön wirken, aber oft nur wenig mit der eigentlichen Entwurfsabsicht zu tun haben.

Grenzen in der Praxis

Mehrere Forschungsarbeiten und Umfragen stützen diese Beobachtungen:

  • FrankenGAN (Kelly et al., 2018) zeigte, wie aus groben Baukörpern automatisch Fassadendetails generiert werden können. Doch trotz beeindruckender Ergebnisse bleibt die Steuerung beschränkt und die Realisierbarkeit fraglich (arxiv.org).
  • In einer Umfrage von Chaos (2023) nutzen Architekt:innen KI am liebsten in sehr frühen Phasen – sobald Präzision, Materialrealismus oder Bauvorschriften ins Spiel kommen, sinkt die Akzeptanz deutlich (blog.chaos.com).

Das Problem liegt nicht nur bei den Nutzer:innen. Viele Softwareanbieter bewerben ihre Tools als „Gamechanger“, die ganze Prozesse ersetzen können – doch weder die versprochene Zeit- noch die Personaleinsparung wird erreicht.

Verantwortung der Tech-Unternehmen

Hier zeigt sich ein blinder Fleck in der aktuellen Diskussion: Die Verantwortung wird fast ausschließlich bei Architekt:innen gesehen („man müsse lernen, KI richtig einzusetzen“). Doch ebenso wichtig ist, dass Software- und KI-Firmen realistischere Versprechen abgeben und Verantwortung für die Grenzen ihrer Systeme übernehmen.

Momentan werden „Wundertools“ vermarktet, die in der Praxis häufig nicht halten, was sie suggerieren:

  • Zeitersparnis: Die Ergebnisse erfordern oft viele Iterationen, Korrekturen und Nacharbeit – der tatsächliche Aufwand reduziert sich kaum.
  • Personaleinsparung: KI ersetzt keine erfahrenen Visualisierer:innen, sondern verschiebt lediglich die Art der Arbeit.
  • Qualität: Beeindruckende Renderings entstehen, aber die Präzision, die für Entwurf und Planung notwendig wäre, bleibt aus.

Ohne klare Standards und transparente Kommunikation droht die Gefahr, dass Bauherren, Architekt:innen und Öffentlichkeit falsche Erwartungen entwickeln – und das Vertrauen in die Werkzeuge langfristig Schaden nimmt.

Zusammenarbeit statt Konkurrenz – aber ehrlich

KI kann wertvoll sein, wenn sie bewusst und gezielt eingesetzt wird: für Varianten, Stimmungsbilder oder die frühe Entwurfsphase. Aber sie ist keine Abkürzung zum fertigen Entwurf.

Damit KI ihr Potenzial entfalten kann, braucht es:

  • kritische Architekt:innen, die ihre Vision klar vertreten und Renderings nicht überbewerten,
  • klarere Standards und Regularien (z. B. durch Architektenkammern, die bereits an einem KI-Codex arbeiten),
  • und vor allem ehrlichere Softwareanbieter, die nicht mit überzogenen Heilsversprechen locken, sondern ihre Tools transparent als das präsentieren, was sie sind: hilfreiche Werkzeuge mit Grenzen.

Fazit

KI beschleunigt Prozesse, inspiriert zu neuen Ideen und macht Entwürfe erlebbarer. Doch die Umsetzung architektonischer Vorstellungen ist heute noch stark vom Zufall abhängig, wenig steuerbar und weit entfernt von den Wunderversprechen der Industrie.

Deshalb gilt: Die Verantwortung liegt nicht allein bei den Architekt:innen. Auch die Tech-Unternehmen müssen sich ihrer Rolle stellen. Sie sollten nicht nur glänzende Bilder verkaufen, sondern realistische Erwartungen wecken, praxisgerechte Werkzeuge entwickeln und Transparenz schaffen.

Nur so kann KI in der Architekturvisualisierung zu einem echten Fortschritt werden – und nicht zur nächsten Enttäuschung.


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