Bedroht Künstliche Intelligenz die Kreativität – oder eröffnet sie ganz neue Wege?
In den letzten Tagen hat sich erneut gezeigt, wie stark das Spannungsfeld zwischen Künstlicher Intelligenz (KI) und der Kunstwelt wächst. Während einige die Technologie als inspirierendes Werkzeug für neue Ausdrucksformen begreifen, sehen andere in ihr vor allem eine Bedrohung für künstlerische Integrität, faire Ausbildung und gesellschaftliche Werte. Drei aktuelle Beispiele verdeutlichen, wie komplex die Diskussion ist – von Hochschulen über bekannte Bildhauer bis hin zu Werbekampagnen.
1. KI in der Lehre: Streit an der Universität von New South Wales
Die Universität von New South Wales (UNSW) in Sydney hat kürzlich einen neuen Kurs mit dem Titel „Generative AI for Artists“ eingeführt. Er soll Studierenden den praktischen Umgang mit KI-Tools für künstlerische Arbeit näherbringen – von der Bildgenerierung bis zu multimedialen Installationen.
Doch die Einführung hat eine Welle der Kritik ausgelöst: Über 7 000 Menschen unterschrieben eine Petition gegen das Angebot. Die Gegnerinnen und Gegner befürchten vor allem ethische und ökologische Probleme. Einerseits besteht die Sorge, dass KI-Modelle unrechtmäßig auf urheberrechtlich geschützte Werke trainiert wurden, was die Rechte lebender Künstlerinnen und Künstler verletzen könnte. Andererseits verweisen Kritiker auf den hohen Energieverbrauch großer KI-Modelle, der Fragen nach ökologischer Verantwortung aufwirft.
Die Leitung der Universität verteidigt den Kurs jedoch mit Nachdruck. Ein einfaches Ignorieren der Technologie sei keine Lösung – vielmehr müsse die nächste Generation von Kunstschaffenden lernen, sie kritisch wie kreativ einzusetzen, um handlungsfähig zu bleiben.
2. Antony Gormley: „KI ist Diebstahl im großen Stil“
Auch außerhalb der Hochschulen wächst die Skepsis gegenüber KI. Der international bekannte britische Bildhauer Antony Gormley, Schöpfer ikonischer Werke wie dem Angel of the North, meldete sich jüngst in einem Interview deutlich zu Wort.
Gormleys Hauptkritik richtet sich gegen das ungefragte Training von KI-Systemen auf den Werken lebender Künstlerinnen und Künstler. Er spricht von einem „Diebstahl auf massiver Ebene“: Werke würden digital einverleibt, ohne die Urheber zu fragen oder zu entlohnen. Für Gormley bedroht dies die Integrität künstlerischer Praxis, da Originalität und geistiges Eigentum durch maschinell generierte Kopien entwertet werden könnten.
Seine Worte fügen sich in eine breitere Debatte ein, die in den letzten Monaten intensiver geworden ist: Viele Kunstschaffende fordern rechtliche Regelungen, die ihre Werke vor unautorisierter Nutzung im KI-Kontext schützen.
3. KI-Werbung sorgt für Spott in Melbourne
Wie unterschiedlich die Wahrnehmung von KI in der Öffentlichkeit sein kann, zeigte zuletzt ein Fall aus Australien. Für die Melbourne Royal Show wurde eine Werbekampagne mit KI-generierten Bildern umgesetzt.
Die Motive sollten Aufmerksamkeit erregen – glänzende Schafe, futuristische Lichteffekte, bunte Szenen. Doch stattdessen ernteten die Bilder Spott und Irritation: Viele Betrachter empfanden sie als „verstörend“ oder „billig“, die verzerrten Proportionen von Tieren und Objekten wirkten eher grotesk als einladend.
Während Kritiker den Einsatz als Symbol mangelnder Sorgfalt und Wertschätzung für künstlerische Qualität sahen, verwiesen die Organisatoren auf gestiegene Ticketverkäufe. Ein Hinweis darauf, dass KI-Werbung zwar aneckt, aber dennoch wirksam sein kann – selbst wenn sie polarisiert.
Fazit: Kunstwelt zwischen Neugier, Kritik und Ablehnung
Diese Beispiele machen deutlich, dass KI und Kunst aktuell von drei Hauptspannungsfeldern geprägt sind:
- Bildung und Ethik – Wie sollen Kunsthochschulen mit KI umgehen: als Werkzeug oder als Risiko?
- Künstlerische Integrität – Wie können Urheberinnen und Urheber ihre Werke vor unbefugter Nutzung schützen?
- Gesellschaftliche Wahrnehmung – Wie reagiert die Öffentlichkeit auf KI-Ästhetik zwischen Faszination und Ablehnung?
Eines ist klar: Die Diskussion wird nicht so schnell enden. Vielmehr ist zu erwarten, dass sie die Kunstwelt in den kommenden Jahren intensiv begleiten und prägen wird – und dass Künstlerinnen, Institutionen und Publikum gemeinsam neue Antworten finden müssen.
Quellen
The Guardian: UNSW course on AI art sparks backlash
Financial Times: Antony Gormley über KI und künstlerischen Diebstahl
news.com.au: Kritik an KI-Werbung für die Melbourne Royal Show
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