intelligentmuseum

Wenn Algorithmen kuratieren – Wie KI die Galerien der Zukunft verändert

Ein neuer Blick auf die Kunstwelt:

Die Welt der Kunst ist im Umbruch. Während früher Kurator:innen mit jahrelanger Erfahrung und einem geschulten Auge entschieden, welche Werke in Museen und Galerien zu sehen sind, tritt heute eine neue Akteurin auf die Bühne: die Künstliche Intelligenz (KI).
Sie kann Millionen Bilder scannen, Muster erkennen und sogar eigenständig Ausstellungsvorschläge machen. Doch was bedeutet das für die Zukunft der Kunstvermittlung? Werden Galerien bald von Maschinen kuratiert – oder eröffnet die Technologie ganz neue Wege der Zusammenarbeit?

Von Archiven zu lebendigen Datenwelten

Museen besitzen riesige Sammlungen. Oft schlummern mehr als 90 Prozent der Werke im Depot – unsichtbar für die Öffentlichkeit. Genau hier setzt KI an: Sie kann Archive durchforsten, Bilder nach formalen Kriterien vergleichen oder Werke thematisch clustern.

Das Projekt „Training the Archive“ (2020–2023) in Aachen und Dortmund zeigte eindrücklich, wie das funktioniert. Algorithmen analysierten die Bestände, erkannten Muster und verbanden Werke, die sonst vielleicht nie nebeneinander gehangen hätten. Das Ergebnis: neue, unerwartete Erzählungen – eine Art „assoziatives Kuratieren“, das den menschlichen Blick erweitert, aber nicht ersetzt.

Das intelligente Museum – eine Ausstellung, die zurückschaut

Noch spannender wird es, wenn KI nicht nur Daten sortiert, sondern auch direkt mit dem Publikum interagiert. Beim Projekt intelligent.museum (ZKM Karlsruhe & Deutsches Museum München) geht es genau darum.

Dort werden Sensoren eingesetzt, die Bewegungen und Interessen der Besucher:innen erfassen. Die KI passt in Echtzeit die Inhalte an – etwa indem sie Zusatzinformationen ausspielt, Werke in einem neuen Kontext präsentiert oder die Reihenfolge von Exponaten variiert. Die Ausstellung wird so zu einem Spiegel: Sie reagiert, schaut zurück und gestaltet sich immer neu.

Förderung und kritische Begleitung

Mit dem Programm „Kunst & KI“ (2024–2028) hat die Kulturstiftung des Bundes ein klares Signal gesetzt: KI wird zu einem der zentralen Zukunftsthemen im Kulturbereich. Gefördert werden Projekte, die experimentieren, provozieren und neue Formate erfinden.

Doch mit den Möglichkeiten kommen auch Fragen: Wem gehört ein KI-generiertes Ausstellungskonzept? Welche Biases stecken in den Trainingsdaten? Und wie transparent muss der Einsatz von KI sein?
Die Stiftung Kunstfonds hat 2024 eine Studie veröffentlicht, die genau diese Aspekte beleuchtet – von Urheberrechtsfragen über ethische Verantwortung bis zu den wirtschaftlichen Auswirkungen auf die Kunstwelt.

Österreich & Schweiz: Visionäre Vorreiter

Auch in den Nachbarländern wird intensiv experimentiert:

  • Ars Electronica Linz gilt seit Jahrzehnten als Hotspot für digitale Kunst. Mit Formaten wie dem AIxMusic Festival wird KI nicht nur als Werkzeug, sondern als eigenständige „Kuratorin“ erprobt, die Klanglandschaften und narrative Räume schafft.
  • Das Belvedere Wien verknüpft Tradition und Innovation: Im Projekt „Klimt – Pigment & Pixel“ rekonstruierte eine KI fehlende Bildbereiche. Die Präsentation stellt das Original und die digitale Ergänzung nebeneinander – eine kuratorische Einladung zum Dialog zwischen Vergangenheit und Zukunft.
  • In Basel zeigte das Haus der Elektronischen Künste (HEK) mit „Real Feelings: Emotion and Technology“ (2020–2021) eine Ausstellung, die nicht nur KI-Kunstwerke präsentierte, sondern auch kritisch fragte: Wie sehr steuern Technologien unsere Emotionen und damit auch die Wahrnehmung von Kunst?

Chancen – und Stolperfallen

Die Idee, dass KI zum Kurator wird, eröffnet faszinierende Möglichkeiten:

Chancen:

  • Personalisierung: Jede Besucherin und jeder Besucher könnte eine individuelle Ausstellung erleben.
  • Neue Verbindungen: KI entdeckt Zusammenhänge, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben.
  • Globale Zugänglichkeit: Virtuelle, KI-gestützte Galerien machen Kunst weltweit erlebbar.

Risiken:

  • Homogenisierung: KI tendiert dazu, das „Gefällige“ hervorzuheben – die Reibung und Provokation könnten fehlen.
  • Bias: Verzerrungen in den Trainingsdaten beeinflussen, welche Kunst sichtbar wird.
  • Verlust der Intuition: Die sinnliche, subjektive Auswahl von Kurator:innen ist schwer in Algorithmen zu fassen.

Fazit – Co-Kuration statt Ersatz

Die Galerie der Zukunft wird nicht vollständig von Maschinen gestaltet. Doch KI wird fester Bestandteil des kuratorischen Alltags: als Werkzeug, Partnerin und manchmal auch als Provokateurin.
Statt von einem Ersatz sollten wir von Co-Kuration sprechen – einer Zusammenarbeit zwischen menschlicher Expertise und maschineller Intelligenz.

Die entscheidende Herausforderung liegt darin, die Technologie bewusst einzusetzen: als Chance für neue Perspektiven, nicht als Automat für massenkompatible Ausstellungen. Wenn das gelingt, könnten wir in Zukunft Galerien erleben, die lebendiger, offener und überraschender sind als je zuvor.

Quellen


Beitrag veröffentlicht

in

von

Schreibe einen Kommentar

Kommentare